Geständnisse eines Bookaholic

Es ist, glaube ich, kein Geheimnis: Ich lese gern. Sachbücher, Fachbücher, Belletristik, Graphic Novels und das ein oder andere Gedicht, quer durch alle Genres. Und ich liebe Bücher. Eine Wohnung ist für mich nicht eingerichtet, wenn darin keine Bücher stehen.

Unsere Wohnung ist eingerichtet; in jedem Zimmer (außer der Abstellkammer) steht mindestens ein Bücherregal. Sogar im Bad. Man will sich auf der Toilette ja nicht langweilen.

Nun habe ich das Glück, dass wir in einer verhältnismäßig großen Wohnung leben; noch dazu in einem Altbau mit dreieinviertel Meter hohen Wänden. Da ist eine Menge Platz für Bücherregale… Und da ein leeres Bücherregal traurig aussieht, haben wir auch eine Menge Bücher, um all die Regale zu füllen. Große Bücher, kleine Bücher, dicke Bücher, dünne Bücher, Taschenbücher und gebundene Bücher, junge und alte, gebrauchte und neue. So viele Bücher! Ich müsste im Paradies sein, wenn…

…ja, wenn da nicht die Sache mit der Zeit wäre. Ein Buch zu lesen braucht nämlich – wer hätte das gedacht! – Zeit, und ebendie ist leider bei mir Mangelware. Mein Stapel ungelesener Bücher hat schon bedrohliche Höhen erreicht, und mehr als einmal habe ich mir vorgenommen, jetzt doch endlich mal was wegzulesen oder doch wenigstens keine neuen Bücher zu kaufen, bis ich die alten gelesen habe.

Und dann komme ich an einer Buchhandlung vorbei, und da liegt das neue Buch eines Autors, den ich liebe; oder eine besonders schöne Ausgabe von einem Klassiker, den ich immer schon lesen wollte; oder dieses eine Buch, das mir von allen Seiten empfohlen wurde… und ich werde schwach, ich greife zu, und mein Stapel ungelesener Bücher wächst wieder ein Stück.

Inzwischen ist „Stapel“ schon gar kein Ausdruck mehr. „Berg“ trifft es eher, und er wächst langsam, aber stetig in Richtung „Gebirge“. Und mein Liebster ist ja auch nicht besser. Schaffe ich es in einer Woche, kein neues Buch heimzubringen, hat er bestimmt irgendwo etwas aufgelesen, und leider ist das meistens für mich auch interessant. Und so wuchert der Berg.

Manchmal kriege ich ein richtig schlechtes Gewissen. Da sitze ich in unserem schönen Wohnzimmer, umgeben von schönen Bücherregalen voller schöner Bücher, und die meisten von ihnen habe ich seit dem Kauf nicht mehr in der Hand gehabt. Sie stehen da, ungelesen, und schauen mich, so scheint mir, vorwurfsvoll an.

Ich gebe ja zu, sie tun mir auch leid. Ich sollte mich besser um sie kümmern. Der natürliche Zustand des Buches ist der gelesene, danach streben sie, und ich wünschte mir aus tiefstem Herzen, ich könnte ihnen allen gerecht werden. Doch ich muss auch essen, schlafen, arbeiten, duschen; lauter Tätigkeiten, bei denen ein Buch fehl am Platze oder gar gefährdet wäre. Ich gebe zu, ich habe alles schon mit Buch versucht. Erfolglos jedoch.

Beim Essen hat mein Liebster ein Machtwort gesprochen. Aus irgendeinem Grund findet er es unkommunikativ, wenn ich bei einer gemeinsamen Mahlzeit die Nase in einem Buch habe… Nun, und da ich ihn ja liebe, habe ich natürlich nachgegeben. Sowas kommt nur noch vor, wenn das Buch wirklich ganz arg spannend und komplett unweglegbar ist. Und selbst dann guckt er böse.

Beim Schlafen waren meine Eltern schon dagegen. Besonders außerhalb der Schulferien. Natürlich habe ich dann mit der Taschenlampe unter der Bettdecke weitergelesen, aber meine Eltern waren ja nicht doof. Nur stur. Dass die das Schlafen auch so viel wichtiger als das Lesen fanden! Trotzdem haben sie es irgendwann geschafft, mir das Nachtlesen abzugewöhnen. Außer, das Buch ist wirklich ganz arg spannend…

In der Schule konnte ich noch unter der Bank lesen, solange ich mit einem Ohr dem Lehrer zuhörte und etwaige Fangfragen beantworten konnte. Auf Arbeit geht das nicht mehr so gut. Mein Chef will nicht nur, dass ich anwesend bin; nein, er verlangt auch noch, dass ich meine Arbeit erledige. Dass das meinem Buchkonsum in die Quere kommt, kümmert ihn wenig. Wenn ich das Geld nicht brauchen würde… aber ich brauche es nun einmal, nicht zuletzt, um neue Bücher kaufen zu können, und irgendwie habe ich schon Verständnis dafür, dass mein Chef will, dass ich die Arbeit tue, für die ich bezahlt werde. Auch wenn ich lieber fürs Lesen bezahlt würde.

Beim Duschen wiederum war das Buch selbst dagegen. Beim Baden geht das ja noch, aber so groß unser Wohnzimmer ist, so klein ist unser Bad, und so haben wir keine Badewanne. Gewöhnliche Bücher jedoch sind äußerst wasserscheu. Allenfalls so ein lutsch- und kaufestes Babybuch könnte ich mit in die Dusche nehmen, aber die haben alle den gleichen Plot und sind recht einfallslos geschrieben. Kennt man eines, kennt man sie alle.

Und so muss ich meine Lesezeit dazwischenquetschen, zwischen Arbeit, Essen, Schlaf, Hygiene und Sozialleben.

Nur einmal im Jahr, da nehmen mein Liebster und ich uns eine Woche frei, und dann sperren wir uns mit einem Stapel Bücher in eine Ferienwohnung und tun nichts als lesen. Das ist die schönste Woche im Jahr.

Ich freue mich jetzt schon darauf! Und meine Bücher freuen sich auch.

(28.02.2014, 816 Wörter)

8 Kommentare

  1. Klingt nach einer sehr schönen Wohnung :) Aber es ist doch sehr schade, dass du all deine Berge nicht abarbeiten kannst…

    1. Ja, mit der Wohnung haben wir echt Glück :-) Und ich hoffe, dass ich spätestens über die Osterfeiertage wieder ein bisschen was weglesen kann. Es werden einfach zu viele gute Bücher geschrieben…

  2. Viel Spaß mit Deinem Liebsten und den Büchern! Vergiss nicht, ab und zu auch mal Deinen Liebsten anzuschauen!

    1. Nein, nein, das vergesse ich schon nicht. Und wenn doch, erinnert er mich schon dran ;-)

      Vielen Dank!

  3. Frechheit aber auch, dass die Cheffinnen und Chefs dieser Welt so gegen Bücher sind. Aber ich kann dich gut verstehen! Studienbedingt kann ich zur Zeit auch nicht, wie ich gern mag. Nun gilt es weniger Bücher zu kaufen und doch auf dem Laufenden zu bleiben. Oder noch schneller zu studieren. Und das wird schwer. Vielleicht sollten wir statt zu bloggen, die Zeit für ein neues Buch investieren? Oder … oder … oder … ;-)

    1. Der Tag hat einfach zu wenig Stunden ;-)

  4. Ja, die Berge ungelesener Bücher! Vielleicht tröstet es dich, dass ein (ehemaliger) Buchhändler, Antiquar und Schriftsteller, den ich kenne, das Lesen der in den Regalen stehenden Bücher … nun ja, nicht gerade für unwichtig, aber doch nicht für alles entscheidend hält: Auch ungelesen bilden Bücher Sinn- und Beziehungssysteme aus. Mit dir. Mit ihren Besitzern. Klingt fast ein bisschen magisch. ;)

    1. Das ist ein bisschen beruhigend, denn mir tun die ungelesenen Bücher ja schon irgendwie leid… aber lesen möchte ich sie doch irgendwann, schließlich hätte ich sie nicht gekauft, wenn das nicht meine feste Absicht gewesen wäre.

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